
![]() |
Wenn ein Großteil der Menschheit in Zukunft in Städten leben wird, dann sollte darüber nachgedacht werden, wie Lebensmittel auch in den Städten selbst erzeugt werden können. Beim Nachdenken über diese Frage ist Dickson Despommier, Professor für Umweltgesundheit und Mikrobiologie in New York, gemeinsam mit seinen Studenten/innen auf die Idee gekommen, Gemüse- und Tierfarmen über mehrere Etagen in die Höhe zu bauen. Das Konzept des „Vertical Farmings“, also der vertikalen Landwirtschaft, war geboren. Seitdem forschen unterschiedliche wissenschaftliche Einrichtungen weltweit an der passenden Technologie für die „Farmscraper“ (Hochhausfarmen). Dabei müssen unterschiedliche Aspekte erforscht werden – von der statischen Tragfähigkeit in der Architektur über die richtigen Beleuchtungssysteme bis hin zu den richtigen Nährstofflösungen für die Aufzucht ohne Erde. In Japan gibt es schon über 200 solcher Stadtfarmen, die ersten nun auch in China. Die Pflanzen werden hier von der Saat bis zur Ernte in einer künstlichen und kontrollierten Atmosphäre hygienisch überwacht. Temperatur, Feuchtigkeit und CO2-Gehalt werden automatisch eingestellt, beleuchtet wird mit LED oder Laser. Statt in Erde wachsen die Pflanzen in einer Nährlösung, die optimal auf die Bedürfnisse der Pflanzen eingestellt werden kann. Durch die sterile Umgebung werden keine Pestizide benötigt und auch der Wasserverbrauch ist vergleichsweise gering. Weil es keine Winterpause gibt, kann bis zu neunmal pro Jahr geerntet werden. Damit ist die Produktivität pro Anbaufläche – auch, weil auf mehreren Etagen angebaut wird – mehr als 100-mal höher. Professor Haruhiko Murase, der in 10 MILLIARDEN – WIE WERDEN WIR ALLE SATT? in einer Pflanzenfabrik in Kyoto interviewt wird, geht davon aus, dass sie sich in Zukunft durch gentechnisch speziell gezüchtetes Saatgut noch weiter erhöhen wird.
![]() |
Ob Gemüse, das ohne „Natur“ gewachsen ist, auch genauso gesund wie Freilandgemüse ist, muss allerdings noch erforscht werden. Die Erzeugnisse aus solchen Farmen sind bislang außerdem nicht für den kleinen Geldbeutel geeignet: Der Salat ist ca. 20 Prozent teurer als Salat vom Feld – vor allem, weil der Energieverbrauch der Stadtfarmen momentan noch sehr hoch ist. Eine weitere Form von „Cityfarming“ sind so genannte „Aquaponic“ Projekte: Darin ergänzen sich Fisch- und Pflanzenzucht in einem geschlossenen Kreislauf gegenseitig. Den Pflanzen dienen der Stickstoff und andere Nährstoffe, die die Fische durch ihre Atmung und ihre Ausscheidungen produzieren, als Dünger für ihr Wachstum. Die Pflanzen wiederum produzieren Sauerstoff und Verdunstungswasser, das den Fischen wieder zugeführt wird. So verringert sich der Wasserbedarf, denn die Pflanzen verdunsten nur so viel Wasser, wie sie für ihr Wachstum benötigten. Als letzte Station auf seiner Suche nach wissenschaftlich- technischen Innovationen besucht Valentin Thurn in 10 MILLIARDEN – WIE WERDEN WIR ALLE SATT? einen Wissenschaftler, der Fleisch ohne Tiere herstellen möchte: Mit Hilfe der In-vitro-Technologie. Dabei stammen vom Tier nur noch wenige Ausgangszellen (die dem lebenden Tier schmerzfrei entnommen werden können), danach wachsen und vermehren sich diese Zellen in Nährlösungen. Weiterverarbeitet zu typischen Fleischprodukten (bislang funktioniert jedoch nur Hackfleisch halbwegs) könnten sie theoretisch den gesamten Fleischhunger der Menschen stillen. Die Idee klingt verlockend, zumal dabei weder Gentechnik eingesetzt werden muss, noch Anbauflächen für Futtermittel, viel Wasser, Nährstoffe oder Energie verbraucht werden. Doch: Eine Markteinführung von In-vitro-Fleisch scheint noch in sehr weiter Ferne zu liegen. Neben der ausstehenden technischen Optimierung, sprechen bisher auch die Herstellungskosten gegen die baldige Markteinführung: Der erste „Burger“, der 2013 von einer Forschungsgruppe der Universität Maastricht vorgestellt wurde, kostete 325.000 US-Dollar! Bislang durch die Forschung bestätigt hingegen scheint die positive Umweltbilanz von In-vitro- Fleisch. Die Produktion von 1.000 kg In-vitro- Fleisch zeigt demnach im Vergleich zur konventionellen Fleischproduktion einen geringeren Energieverbrauch, einen deutlich geringeren Ausstoß von Treibhausgasen bei der Herstellung sowie geringeren Wasserverbrauch.