
„Die Welt wird Stadt, die Stadt wird zur Welt“ – weltweit leben heute erstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Im Jahr 2030 werden es Schätzungen der Vereinten Nationen zu folge rund fünf von acht Milliarden Menschen sein. Einige Städte wachsen dabei als Anziehungspunkte von Millionen schier ins Unermessliche. Diese Städte werden als Megacities bezeichnet. Als wirtschaftliche, politische und kulturelle Knotenpunkte sind Megacities Ausdruck der Dynamik unserer Zeit – sie treiben den globalen Wandel ebenso voran, wie sie ihm unterliegen. Megacities vereinen Gegensätze auf engstem Raum – Chancen, aber auch Herausforderungen.
Megastädte sind weit mehr als einfach nur enorm große Städte: Sie sind vor allem ungeheuer dynamisch und sehr komplex. Ökologische, ökonomische, soziale und politische Prozesse überlagern sich hier, bedingen sich dabei gleichzeitig und verstärken sich gegenseitig. Als herausragendes Phänomen weltweiter Urbanisierung nehmen Megastädte dabei häufg (kritische) Trends vorweg, deren regionale und globale Folgen derzeit noch kaum absehbar sind. So verwundert es nicht, dass Megastädte immer stärker in den Fokus des gesellschaftlichen Interesses und internationaler Forschungsprojekte rücken.

Trotz ihrer vor allem sozioökonomischen und ökologischen Probleme gelten die Megacities der Industrieländer wie New York oder Tokio als relativ stabil. Demgegenüber dominieren in den Megacities der so genannten Entwicklungs- und Schwellenländer deutlich die Probleme und Risiken. Unkontrolliertes städtisches Wachstum steht hier für massive Umweltverschmutzung, hohen Ressourcenverbrauch, Bedrohung durch Naturgewalten, Verkehrskollaps, akute Wohnungsnot und eine mangelhafte Infrastruktur – vor allem im Hinblick auf Nahrungsmittel- und Trinkwasserversorgung, Kanalisation und Abfallbeseitigung. Ein Beispiel: Obwohl Städte nur 2% der globalen Landoberfäche einnehmen, entstehen in ihnen knapp 80% aller weltweiten Emissionen und 70–85% des globalen Treibhausgasaufkommens. Die aktuelle Situation in den Metropolen, vor allem in den Metropolen der Entwicklungsländer, ist teilweise dramatisch: Die Luft ist extrem belastet, Kläranlagen und Industrie sondern nahezu unreglementiert hochgiftige Abfälle sowie Schmutzwasser ab, Grund- und Oberfächenwasser sind dadurch erheblich verunreinigt.
Hohe Zuwanderungsraten, in der Regel aus ländlich peripheren Regionen, führen in vielen Megastädten der sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländer zudem zur Entstehung und zum Wachstum von „informellen Siedlungen“ – Elendsvierteln oder Slums. Wachsende Armut, sozialräumliche Aus- und Abgrenzung gehören hier zu den zentralen Problemen – die Bewohner/innen werden größtenteils sich selbst überlassen. In diesen Vierteln ist die Kriminalität meist hoch, die Infrastruktur schlecht oder gar nicht vorhanden. Der Kontrast zwischen Arm und Reich könnte größer nicht sein: Während in immer mehr Großstädten ein Teil der Reichen in sogenannte „gated communities“ (geschlossene, bewachte Wohnkomplexe) füchten, leben in einigen Gebieten der Welt über 50% oder wie in Afrika südlich der Sahara über 70% der Stadtbevölkerung in Slums. Da es in den Stadtzentren kaum mehr bezahlbaren Wohnraum gibt, werden die Ärmsten in die unwirtlichen und gefährlichen Gegenden abgedrängt, in denen sonst niemand leben will: auf erdrutschgefährdete Hänge, in die Nachbarschaft giftverseuchter Müllgruben oder in Überfutungsgebiete. Für Bewohner/innen in illegalen Notbehausungen investiert die öffentliche Hand meist nicht in die notwendige Infrastruktur wie Energie, Wasser, sanitäre Anlagen oder Verkehrsanbindung. In den armen städtischen Haushalten der Slums, zum Beispiel von Rio de Janeiro, ist die Sterblichkeitsrate dabei dreimal so hoch wie in Familien mit Zugang zu Wasser, Abwasserversorgung und angemessener Beschaffenheit der Gebäude.
Je schneller und unkontrollierter Megastädte wachsen, umso schwieriger wird es auch, sie staatlich zu steuern und zu regieren. Deshalb spielt die Frage nach der territorialen Machtverteilung in vielen Gebieten eine zentrale Rolle: Für die lokale Sicherheit zu sorgen oder Vergehen zu ahnden, wird zu einem hart umkämpften Geschäft, nicht selten mit mafaähnlichen Strukturen.
Neben solchen, zum Teil unlösbar erscheinenden Problemen und Risiken bieten Megastädte als globale Zentren jedoch auch bedeutende Potenziale: Der gesellschaftliche Wandel innerhalb eines Landes manifestiert sich zuerst und vor allem in den Städten – Reformüberlegungen und -prozesse nehmen häufg hier ihren Anfang. Die großen Städte sind die Einfallstore zur globalen Wirtschaft und damit gleichzeitig Anknüpfungspunkte für Innovationen und wirtschaftliche Entwicklung. Viele Megastädte sind Wachstumsmotoren und Zentren der Produktivität, selbst in den informellen Kleinbetrieben der Slums. Nach Berechnungen der OECD erwirtschaften z.B. Mexiko Stadt und São Paulo rund 50% des landesweiten Einkommens. Städten wird vor allem nachgesagt, effzienter zu sein als ländliche Räume: etwa durch eine höhere Siedlungsdichte und damit eine Verringerung des Pro-Kopf Flächenverbrauchs. Gleichzeitig kann dadurch ein wirkungsvollerer Umgang mit Ressourcen, eine verbesserte Gesundheitsfürsorge und damit verbunden eine optimierte Auslastung medizinischer Einrichtungen erreicht werden.
Solche Potenziale herauszuarbeiten und gemeinsam mit Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in zukunftsweisenden Projekten weiterzuentwickeln, ist Anliegen von weltweiten Forschungsansätzen. Dabei geht es auch darum, Beispiele gelungener Praxis herauszukristallisieren und ihre Übertragbarkeit auf andere Regionen zu erforschen.