Mischung am Phoenixsee

Auch die „Entwicklungsgesellschaft Phoenixsee“ betont, dass rund um den See ein „gesunder Mixverschiedener Wohnformen“ angestrebt wird, um es breiten Teilen der Bevölkerung zu ermöglichen, am See zu wohnen. So soll zum Beispieleine angemessene Mischung von Miet- und Eigentumswohnungen, ein generationenübergreifendes Wohnprojekt, mehrere Mehrfamilienhäuser und, auf 7.300 Quadratmetern, sozialer Wohnungsbau realisiert werden. Dabei hat die Gesellschaft allerdings nicht völlig freie Hand bei der Auswahl der Wohnformen: Die Gesamtkostendes Projektes Phoenixsee belaufen sich auf rund 230 Millionen Euro.

Knapp die Hälfte dieses Betrages muss über die Grundstückserlöse refinanziert werden – je teurer die Grundstücke also verkauft werden können, umso gesicherter ist die Finanzierung des Gesamtprojekts. In der Großsiedlung Clarenberg konnten sozialverträgliche Gebäudesanierungen durch das Programm „Stadtteile mitbesonderem Erneuerungsbedarf“ (heute „Soziale Stadt“) realisiert werden. Mit diesem Städtebauförderungsprogrammunterstützen Bund und Länder seit 1999 die Stabilisierung und Aufwertung benachteiligter und strukturschwa cher Stadt- und Ortsteile. Dabei hat man auch hierdarauf gesetzt, die Anwohner/innen stärker einzubinden und Anonymität aufzulösen: Durch die Initiierung von Bewohner/innentreffs, von Beratungs-und Hilfsangeboten, durch die Wiederbelebung des Clarenberg-Festes, die Einrichtung eines Concierge-Services oder Projekte an Schulen und Kindergärten. Jugendliche wurden eingeladen, an Beschäftigungs- oder Qualifizierungsprojektenteilzunehmen, die Bewohner/innen wurden in Fotoausstellungen gewürdigt und konnten sich in Sprachkursen und Themengruppen kennenlernen.

Das Themenfeld Strukturwandel, Segregation und Gentrifizierung zeigt sich auch aus wissenschaftlicher Perspektive als vielschichtiges Untersuchungs-und Handlungsfeld. Dabei sollte die soziologische Stadtforschung – will sie der Komplexität von Stadtentwicklung gerecht werden– auch die Stärken und Potentiale einer positiven Quartiersentwicklung nicht aus dem Blickverlieren. Über welche Ressourcen verfügen die Bewohner/innen? Wie können diese fruchtbareingesetzt werden? Denn: Auch sachliche Texte, in denen das Thema Segregation problematisiert wird, bergen immer die Gefahr der Stigmatisierung– von Wohngegenden, Anwohner/innen oder sozialen Schichten. Ebenso wird angeregt, bei Untersuchungen zum Thema Segregation nicht nur die Wohnung oder das enge Wohnumfeld in den Blick zu nehmen. Die Fähigkeit von Fremden, gut zusammen zu leben, zeigt sich viel stärker in öffentlichen Räumen. Wie wird er gemeinsam genutzt? Wann, wo und wie treffen unterschiedliche soziale Schichten dort aufeinander? Findet Kommunikation statt? Geht man sich aus dem Weg? Welche Gruppen werden politisch bevorzugt? Der Phoenixsee könnte dafür einen guten Untersuchungsgegenstandabgeben: Welche Strategien– anstelle von ausgedehnten Nutzungsverboten und Polizeirazzien – könnten für eine umwelt- und sozialverträgliche Nutzung des Sees umgesetzt werden?

 
Wasserfrontentwicklung
Seebaustelle (Göttliche Lage), copyright filmproduktion loekenfranke gbr

Urbane Gewässer üben, vor allem im Sommer, eine magische Anziehungskraft aus. Gerade an alten Industriestandorten versinnbildlichen sieden Aufbruch „zu neuen Ufern“: weg von Kohle, Staub und schwerer Arbeit, hin zu Freizeit und Erholung an der Promenade im mediterranen Flair. Doch gerade diese Attraktivität von Wasserlagenkann die negative Dynamik des Strukturwandels verschärfen und Interessenkonflikte hervorrufen, in denen sich ökonomische, ökologische, soziale und städtebauliche Dimensionen überlagern. Hohe Grundstückspreise bergen die Gefahr einer „Verinselung sozialer Schichten“ ohne soziale Durchmischung. Zusätzlich kann die Realisierung einer hochwertigen Wasserlage auch zu Aufwertungsprozessen in der Umgebung führen. Das ist einerseits erwünscht, sollte aber andererseits nicht zu einer Verdrängung der bisherigen Bewohner/innen führen. Von diesem Problempotenzial abgesehen, bleibt der Gewinn eines neuen, ansprechenden Freizeitareals, das vom Prinzip her für alle offen ist und erstmal eine Bereicherung darstellt. Dass es zu Nutzungskonfliktenzwischen öffentlicher Nutzung am See und privatem – teils hochpreisigem Wohnen –kommen kann, liegt in der Sache selbst und sollte schon beim Verkauf der Grundstücke offengelegt werden.

Unter anderem in einem Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung(BBSR) hat man sich die Frage gestellt, ob und wie „integrierte Stadtquartiersentwicklung am Wasser“, und damit eine nachhaltige Stadtentwicklung möglich ist. Kann Wohnen am Wasser auch für untere Einkommensstufen möglichsein? Wie kann Segregation und Gentrifizierung vorgebeugt werden? Die Forschungsergebnisse machen unter anderem deutlich, wie wichtig eine frühzeitige und transparente öffentliche Kommunikation für das Gelingen solcher Projekte ist. In neuartigen Großprojekten ist die Akzeptanz der Bevölkerung zu Beginn häufig gering. Mögliche Bedenken oder Anregungen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sollten daher von Anfang an gehört und aktiv einbezogen werden. Nur so kann auch sichergestellt werden, dass sich hinterher die Mehrheit mit dem Projekt identifiziert und dieses mitträgt.