Grundsätzlich ist Segregation – die soziale undauch räumliche Aus- und Abgrenzung verschiedener Bevölkerungsgruppen – ein universelles Phänomen: So lange es Städte gibt, wurden Quartiere nach Religionszugehörigkeit, Nationalität, Kaste, Handwerk oder sozialem Stand aufgeteilt. Schon das Zentrum Babylons im Jahre 2000 vor Christus war nur Königen und Priestern zugänglich.
Mit der demokratischen Gesellschaft kamen auch neue Leitbilder für die soziale Zusammensetzung von Städten: Gemischt sollen sie sein, offen und gleichberechtigend. Europäische Vereinbarungen wie der Maastrichter (1992) und der Lissaboner Vertrag (2009) haben den Schutz vor Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung zum Grundsatz erklärt. Dennoch wird Segregation wieder zu einem wachsenden Problem, auch indeutschen Städten. Laut einer Studie der OECD (2011) nimmt sie in Deutschland sogar besonders schnell zu. Obwohl die Zahl armer Familien im Durchschnitt in vielen Städten zurückgegangen ist, hat die Segregation der von Armut Betroffenen in den meisten Städten zugenommen; zu diesem Ergebnis kam 2012 auch eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (2012). Dabei geht es nicht nur um die Abgrenzung unterschiedlicher ethnischer Gruppen, sondern auch und vor allem um eine Trennung von arm und reich, die sich zwischen den Extremen „sozialer Brennpunkt“ und „Luxusviertel“ bewegt. Im Gegensatz zu der meist erzwungenen Abschottung von einkommensschwachen Haushalten in Großsiedlungen oder Randgebieten, grenzen sich einkommensstarke Haushalte häufig freiwillig vom Rest der Stadt ab („aktive Segregation“). Höhepunkt einer solchen Abschottung sind jene geschlossenen Luxus-Wohnkomplexe,so genannte „Gated Communities“,wie man sie aus vielenMegastädten der Südhalbkugel, aberauch aus Süd- und Osteuropa kennt.
Dabei sagt der so genannte „Segregationsindex“ aber noch nichts überdie Qualität des Zusammenlebens unterschiedlicher sozialer Gruppenaus: Als Instrument der Stadtsoziologiebeschreibt er lediglich, obbestimmte soziale Gruppen in einemGebiet stärker vertreten sind, als esbei einer „Normalverteilung“ dieser Gegend der Fall wäre. Generell muss eine räumliche Trennung keine soziale Trennung bedeuten. Ob ein segregiertes Gebiet auch zu einem Ort der sozialen Ausgrenzung wird, entscheidet sich auch und vor allem an den Teilhabemöglichkeiten an gemeinsamen gesellschaftlichen Bereichen wie Schule, Bildung, Arbeit, Wohnen oder Freizeit.
Stehen diese nicht zur Verfügung, kann es für einkommensschwache segregierte Quartiere schnell zu einem „Fahrstuhleffekt nach unten“kommen: Die noch etwas besser Verdienenden ziehen weg, das Image der Wohnlage wird immer schlechter, die Bausubstanz wird immer stärker vernachlässigt… Um dem entgegenzuwirken, braucht es aktive Prozesse der sozialen Stabilisierung und sozialverträglichen, städtebaulichen Aufwertung. Dabei muss jedoch verhindert werden, dass ein Phänomen auftritt, dass als „Gentrifizierung“ bekannt ist: die Verdrängung von alteingesessenen, einkommensschwachen Haushalten durch eine Aufwertung von Bausubstanz oder Umgebung – weil sie sich die neuen Mietpreise nicht mehr leisten können. Dabei verfügt die öffentliche Hand über ein starkes Instrument, mit dem Gentrifizierung vorgebeugt werden kann: den sozialen Wohnungsbau. Er unterstützt private Investoren und kommunale Wohnungsunternehmen dabei, preiswerte Mietwohnungen in guter Lage für niedrigverdienende Haushalte bereitzustellen. Dadurch werden Weichen für eine soziale Mischung in den Stadtquartieren gestellt.
Allerdings hat der soziale Wohnungsbau in den letzten Jahren „Federn gelassen“. Häufig veräußern städtische Wohnungsbaugesellschaften eigene Bestände; mitunter auch, um städtische Finanzhaushalte durch die jeweiligen Verkaufserlöse zu sanieren. Gerade das Ruhrgebiet war von einer Privatisierungswelle betroffen, bei der in Deutschland seit 1999 zahlreiche kommunale Wohnungsbestände verkauft wurden. Mittlerweile besteht Einsicht in die Notwendigkeit, dieser Entwicklung und ihren negativen Folgen etwas entgegensetzen zu müssen. Zahlreiche deutsche Städte haben „Förderquoten“ eingeführt, nach denen zwischen 15 und 40 Prozent von neuen Wohnungsbauprojekten für sozialen Wohnungsbaugesichert werden sollen. Ob in Dortmund-Hörde, dem einst durch seine Nähe zur Industrie belasteten Arbeiterstadtteil, ein solcher Gentrifizierungsprozess im Gange ist – und ob man ihn hätte verhindern können –wird derzeit rege diskutiert. Dabei wird auch der Vorwurf laut, dass man schon viel früher hätte verhindern müssen, dass ehemalige Mieter/innendurch die Aufwertung des Stadtteils aus Hörde verdrängt werden, zum Beispiel mit Hilfe von sozialem Wohnungsbau. Es gibt aber auch noch andere Instrumente, um soziale Mischung zu fördern. Erprobt werden kann sie zum Beispiel im experimentellen Wohnungsbau. Dazu gehören Modell-Bauvorhaben, mit denen neue Lösungsansätze ausprobiert werden: Wie können Wohnkomplexe gestaltet werden, um eine soziale Durchmischung zu fördern? Oder wie muss Wohnraum gestaltet sein, um auch kinderreichen Familien attraktiven Wohnraum zu bieten? Gemischtes Wohnen hängt auch davon ab, dass im Hinblick auf Größe, Ausstattung und Preisgeeignete Wohnungen für alle Schichten der Stadtbevölkerung zur Verfügung stehen. Die Frage, die dabei Sozialforscher/innen und Städtebauer/innen immer wieder beschäftigt, ist die, auf welcher Ebene eine Mischung tatsächlich erfolgreich und sinnvoll ist – im Quartier, im Block oder im Haus? Zu einem endgültigen Ergebnis ist man dabei noch nicht gekommen – zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen einzelner Städte und Quartiere. Deutlich wurde aber, dass die Mischung umso anspruchsvoller wird, je enger der Radius ist, auf dem sie konzipiert wird. Dabei war erfolgreichen Beispielen häufig ein besonderes Element gemeinsam: neue Finanzierungsmodelle und eine neue Beteiligungskultur zur Einbindung aller Betroffenen.