Grün statt grau
Grün statt grau

Botanische Gärten sind kleine oder auch größere Refugien in Städten, die oft schon vor hunderten von Jahren angelegt wurden. Zuhauf finden sich hier seltene Pfanzenarten und ruhige Plätzchen laden zum Verweilen ein. Botanische Gärten sind besonders schöne und spannende Lernorte für alle Stadtbewohner/innen – so sehen das die Bewohner/innen der Stadt im Film DER BLAUE TIGER. Die Flächen zugebaut, die Böden zugepfastert, die Wasserläufe begradigt, dazu Müll und schlechte Luft, auf den ersten Blick ist eine Großstadt das Gegenteil von Natur. Doch wer genauer hinsieht, entdeckt in der Stadt eine Idylle: Wildblumen auf dem Mittelstreifen einer stark befahrenen Straße, Fledermäuse, die nachts in den Innenstädten nach Insekten jagen, Tauben und Turmfalken, die auf den Dächern brüten, Schrebergartenglück, kleine Wälder, Parks, Wasserfächen. Stadt und Natur müssen also keine Gegensätze sein. Als inszenierte und geplante Natur (oder auch spontane Entwicklung) kommt ihr sogar eine besondere Bedeutung zu.

Wer hätte das gedacht

Jede Grünfäche und jeder Baum trägt zu einem guten Stadtklima bei. Beton und Stein heizen sich im Sommer schneller auf als Erde, Pfanzen und Bäume. Sie verdunsten Wasser und kühlen ihre Umgebung durch die Verdunstungskälte ab, das heißt sie funktionieren wie eine Art innerstädtische Klimaanlage. Gleichzeitig spenden Bäume Schatten und reinigen nebenbei die Luft von Schadstoffen (sie binden z. B. Staub). Nicht versiegelte urbane Grünräume zum Beispiel fördern die Wasserrückhaltung und helfen so beim Schutz vor Überschwemmungen und der Grundwasserneubildung. Grünräume wirken sich auf diese Weise nicht nur positiv auf die Gesundheit der Stadtbewohner/innen aus, sondern sie sind auch für das ökologische Gleichgewicht einer Stadt von Bedeutung. Nicht zuletzt sind begrünte Städte aber auch Lebensraum vieler selten gewordener Tier-   und Pfanzenarten. Die Überdüngung landwirtschaftlicher Flächen verdrängt Pfanzen und Tiere, die auf nährstoffarme Böden angewiesen sind, aus den ländlichen Regionen. In den Städten fnden sie eine neue Heimat. Dort
sind die Lebensräume, anders als vor der landwirtschaftlichen Industrialisierung, teilweise sogar vielfältiger und kleinräumiger als auf dem Land – und größer, als man denkt. Als „Hotspots der Biodiversität“ bezeichnet Ingo Kowarik, Professor für Stadtökologie an der Technischen Universität Berlin, gar unsere Städte.

Daneben erscheint das mehrfach belegte Forschungsergebnis, nämlich dass städtische Lebensräume durch Natur attraktiver werden, geradezu selbstverständlich. Bepfanzungen, Bäume, Grünfächen tragen dazu bei, dass Wohngebiete positiv bewertet und als erholsam erlebt werden : Hier trifft man sich mit Freunden/innen, lässt die Seele baumeln, treibt Sport. Die vielfältigen Funktionen des urbanen Grüns verdeutlichen, warum Natur eigentlich schon immer eine feste Größe in der Diskussion um Stadtqualitäten und Stadtentwicklung war und ist. Ein städtisches Aufwertungsprojekt, das in diesem Zusammenhang deutschlandweit viel Beachtung gefunden hat ist der Krupp-Park Essen, wo auf einer Fläche von 22 Hektar – dem ehemaligen Gelände der Kruppschen Gussstahlwerke – mitten in Essen ein neues Naherholungsgebiet entstanden ist.

Diese Vision – „Grün statt Grau“ – steht für eine Entwicklung, die in vielen Städten schon seit Längerem zu beobachten ist. „Urban Gardening“ oder „Urban Farming“ (urbanes Gärtnern oder urbane Landwirtschaft) wird es genannt, wenn Menschen auf Dächern, Brachen oder in Hinterhöfen Gemüse ziehen und Blumen züchten. So zum Beispiel im Gemeinschaftsgarten Annalinde  im Leipziger Westen (www.annalinde-leipzig.de), wo neben dem ökologischen Anbau von Gemüse auch das soziale Miteinander und wechselseitiges Lernen kultiviert wird. Ein weiteres gutes Beispiel sind die Prinzessinnengärten in Berlin Kreuzberg, in denen u. a. viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund gemeinsam gärtnern. Der Garten wird damit zu einem Treffpunkt im Quartier.

Wurden die Stadtgärtner/innen anfangs noch belächelt, so hat sich die Bewegung inzwischen emanzipiert. Heute sehen Stadtplaner/innen und Wissenschaftler/innen in ihr eine Chance, den sozialen und ökologischen Problemen von Städten entgegenzutreten. Nicht zuletzt setzt man auf urbanes Grün, um den ökologischen Fußabdruck von Städten zu verkleinern und die Ernährung ihrer Bewohner/innen zu sichern. Erste Systeme für einen professionellen Anbau von Obst und Gemüse in der Stadt sind bereits in Produktion gegangen. Unfassbar aber wahr in diesem Zusammenhang: Mehr als die Hälfte des Gemüsebedarfs Pekings wird in der Stadt angebaut und verkauft.

Die Zukunft der Städte sei grün, sagen Stadtplaner/innen. Brachen, stillgelegte Bahntrassen und Grünstreifen können zwar den Spaziergang über weites Feld in einer grünen Landschaft nicht ersetzen. Aber es sind auch städtische Orte, an denen Menschen sich verwirklichen und ihren Bedürfnissen nach Ruhe und Kontakt zur Natur nachgehen können. Schließlich sind es Parkanlagen, saubere Flüsse, begrünte Dächer und Fassaden, die Städte lebenswerter machen. Neue Entwicklungen in der Architektur machen es sogar möglich, Hochhäuser mit kleinen Park- oder Waldfächen zu bauen. Das macht nicht nur die Städte grüner, sondern hat auch wichtige Auswirkungen auf das Stadtklima und auf die Gesundheit.

Grün statt grau