Kommunikation und Begegnung in der Stadt
Her, copyright Warner Bros. Pictures Germany

In HER tauchen viele Menschen auf: in der U-Bahn, auf Plätzen, auf den Gehwegen. Doch viele von ihnen wirken kaum ansprechbar, sie wirken wie hypnotisiert und kommunizieren über ihre Ohrstöpsel mit unsichtbaren Gesprächspartnern/innen. Das führt zu einem paradoxen Bild: Alle kommunizieren, aber es fndet kaum Interaktion statt. Über Selbstgespräche mit dem Handy wundert sich auch bei uns schon niemand mehr, bei vielen anderen technischen Erneuerungen sind wir (noch?) skeptisch: Überwachungskameras? Sensoren? Künstliche Intelligenz?

Smart City-Konzepte setzen in vielen Fällen auf technologische Lösungen, die zentral gesteuert werden. Doch welche Rolle werden die Bürger/innen darin spielen? Wie wird sich, mit fortschreitender Technologisierung, unsere Art, zu kommunizieren oder uns in der Stadt zu bewegen, verändern? Werden Menschen tatsächlich häufger die U-Bahn nehmen, wenn sie unkompliziert per Smartphone bezahlen können? Oder bewirken zum Beispiel Überwachungskameras, dass wir uns sicherer fühlen oder, dass wir uns beobachtet fühlen und uns dadurch nicht mehr natürlich verhalten? Unter anderem zu dieser Frage besteht noch großer Forschungsbedarf, fndet auch der Sozialanthropologe Nils Zurawski. (Bislang hat man dazu lediglich festgestellt, dass der Betrag in der Kaffeekasse der Psychologischen Fakultät in der Universität von Newcastle wesentlich höher war, wenn in der Kaffeeküche ein Poster mit einem beobachtendem Augenpaar hing.) Solchen und anderen Fragen geht man in unterschiedlichen wissenschaftlichen Forschungsansätzen nach, unter anderem in der Psychologie, der Soziologie oder in den Medienkulturwissenschaften, genauer: in der „Mediatisierungsforschung“. So untersucht man zum Beispiel am „Creative Unit“ der Universität Bremen, welchen Stellenwert der Wandel von Medien und Kommunikation für Kultur und Gesellschaft hat. Unter anderem anhand der Frage, ob durch den Umgang mit Mobiltechnologien auch neue „Belebungsenergien“ in der Stadt entstehen – werden Menschen durch interaktive Computerspiele wie „urban games“ aktiver und begegnungsfreudiger?

Städte waren seit jeher Orte der Begegnung und der Kommunikation. Wie werden sich diese Begegnungen in Zukunft verändern? Digitale Medien können beides: Durch unkomplizierte Informationswege Menschen zusammenführen, zum Beispiel solche, die ähnliche Interessen haben. Doch in gleichem Maße können sie den Rückzug in die eigenen vier Wände fördern, wenn Kommunikation auch über Smartphones, Computerspiele und soziale Netzwerke funktioniert.

Gleiches gilt für die Teilnahme an politischen Entscheidungen. Auf der einen Seite betonen viele Smart City-Ansätze, dass über vereinfachte Bedienstrukturen auch die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, zum Beispiel über Apps, steigen werden. Open Data-Plattformen sollen Bürger/innen dazu einladen, eigene Ideen für die Verwendung von Daten zu entwickeln. Auf der anderen Seite erscheint aber fraglich, welche Rolle Bürgerbeteiligung und demokratische Prozesse in Städten noch einnehmen, die zu einem großen Teil privatwirtschaftlich fnanziert wurden. Wie frei bleiben die Bürger/innen in einem so durchgeplanten und zentral gesteuerten Gesamtsystem, eigene Ideen umzusetzen oder auch neue technologische Standards abzulehnen? Oder: Wie stark werden sich Menschen darauf verlassen, dass „die Technik es schon regeln wird“? Kritiker/innen warnen davor, dass wir vor lauter Technik aus dem Blick verlieren könnten, dass diese kein Allheilmittel ist. Sondern dass es Herausforderungen nachhaltiger Entwicklung gibt, die nicht ausschließlich durch ein Mehr an Daten und Schaltkreisen gelöst werden können: aktiver Umweltschutz zum Beispiel, Schutz der Artenvielfalt, die Qualität menschlichen Zusammenlebens oder die Integration sozial Benachteiligter. Wichtig wird ebenso sein, dass sich die Akteure/innen in den Städten darüber klar werden, mit welchen Zielen sie welche digitalen Technologien tatsächlich einsetzen möchten. Denn auch wenn sich vieles über das Netz-Verhalten der Stadtbewohner/innen „ungesteuert ergeben wird“, können die Verwaltungen der Städte doch manche Angebote einer Smart City mitgestalten. Und da es hierbei auch um den Einsatz von Steuermitteln geht, die ebenso für direkten Umweltschutz oder soziale und kulturelle Projekte genutzt werden können, sollten Schritte auf dem Weg zu Smart Cities wohldurchdacht sein.