
So stellen wir uns die Zukunft vor: Wir sind umgeben von intelligenter Technik, die uns bei den Herausforderungen des Alltags unterstützt. Dabei schaudern wir noch, wenn Künstliche Intelligenz allzu menschlich wirkt – wie das Betriebssystem Samantha in HER. Doch wenn es um moderne Technik für den Hausgebrauch geht, dann wollen wir sie schon heute möglichst schlau – „smart“. Smart-phones sind aus unserem Leben schon kaum mehr wegzudenken, moderne Wohnungen werden zu zentral steuerbaren „Smart Homes“ umgerüstet und an das „Internet der Dinge“ angeschlossen. Und auf der ganzen Welt setzt man große Hoffnungen in intelligente Technik, um die ökologischen und sozialen Probleme der Städte und Megastädte von morgen zu lösen. Doch was bedeutet der Begriff „Smart City“ – intelligente Stadt – konkret? Und was passiert, wenn Städte intelligent werden?
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Die Städte der Welt wachsen mit unvorstellbarer Geschwindigkeit. Bereits heute leben mehr Menschen in Städten als in ländlichen Regionen, in wenigen Jahren werden Prognosen zufolge zwei von drei Menschen auf der Erde in einer Stadt leben. Es wird erwartet, dass sich der Bedarf an Stadtraum bis 2050 verdoppeln wird. Doch je mehr Menschen in den Städten der Welt nach Wohnraum, Arbeit und einem besseren Leben suchen, umso größer werden die Herausforderungen an die Infrastruktur und die Versorgungsleistungen der Städte. Begehrter Wohnraum in den Innenstädten wird immer unerschwinglicher, ärmere Haushalte werden an die Peripherien gedrängt und müssen zum Teil lange Wege zu ihren Arbeitsplätzen auf sich nehmen. Schon heute bricht der Verkehr in Megacities wie Mumbay oder São Paulo regelmäßig zusammen und öffentliche Verkehrsmittel platzen aus allen Nähten. Gleichzeitig wirken Städte wie Brenngläser für die Herausforderungen, die sich uns auf dem gesamten Globus stellen: Hier bündelt sich ein immenser Verbrauch an Energie-, Material- und Nahrungsressourcen und es werden gigan-tische Mengen an Treibhausgasen, Müll und Abwasser auf engstem Raum produziert. Weltweit arbeiten Stadtplaner/innen, Politiker/innen, Wissenschaftler/innen, IT- Experten/innen und andere an nachhaltigen Lösungsansätzen für die zunehmende Urbanisierung (Verstädterung). Wie kann eine moderne, intelligente, effziente und gleichzeitig lebenswerte Stadt aussehen? Als besonders verheißungsvoll wird dabei – besonders von Technikoptimisten/innen – die Möglichkeit angesehen, moderne Informations- und Kommunikationstechnologien einzusetzen, um die Abläufe und Informationskanäle in Städtenzu optimieren. Sicherer, sauberer und vor allem effzienter soll es in Städten mit Hilfe moderner Technik zugehen. Das fängt in den Wohnräumen an:

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Wenn Theodore das Zimmer betritt, gehen die Lampen von alleine an.
In der intelligenten Wohnung der Zukunft gehört das zur Standardausstattung. Und noch viel mehr: Die Waschmaschine wird aus der Ferne gestartet – dann, wenn die Strompreise am niedrigsten sind, Sensoren lösen Alarm aus, wenn jemand gestürzt ist, der Kühlschrank meldet, wenn etwas fehlt und die Überwachungskameras gehen an, sobald das Haus verlassen wird. All diese Funktionen können über das Smartphone oder Tablet zentral gesteuert, die gesammelten Daten zum Beispiel über Apps oder über den Browser ausgewertet werden. Das funktioniert aber nur, wenn die Hausgeräte Internet- oder Netzwerkzugang haben, weshalb man diesen Anwendungsbereich das „Internet der Dinge“ getauft hat. Über so genannte RFID-Tags (engl. Radio Frequency Identi-fcation), kleine Funkchips, können beliebige Gegenstände online identifzierbar und lokalisierbar gemacht werden. Mit Sensoren, Datenspeichern und Kommunikationstechnik ausgestattet, entwickeln sie sich zu nahezu „intelligenten Objekten“ (engl. „smart objects“): Sie können Vorgänge in ihrer Umgebung wahrnehmen, über Funk oder Kabel mit anderen Objekten kommunizieren und selbst Aktionen auslösen. So lernen zum Beispiel Thermostate nach und nach, wann sie sich wie einstellen sollen, erkennen durch Sensoren, ob sich jemand in der Umgebung befndet oder ändern ihre Einstellungen aufgrund von Wetterprognosen.

HER spielt im Los Angeles einer unbestimmten Zukunft. Veränderungen im Vergleich zur Gegenwart werden dabei nur ausschnittsweise gezeigt: Es sind zum Beispiel keine Autos mehr zu sehen. Die Menschen laufen auf breiten Fußgängerwegen oder fahren mit der U-Bahn.
Alternative Mobilitätskonzepte sind auch heute schon ein zentraler Aspekt von Smart City-Ansätzen. Weil in einer Stadt viele Prozesse gleichzeitig ablaufen und keine Stadt der anderen gleicht, unterscheiden sich allerdings all die Projekte voneinander, die den Titel „Smart City“ für sich beanspruchen. Dazu gehören Siedlungen oder Städte, die von Beginn an am Reißbrett geplant werden, wie zum Beispiel die Ökostadt Masdar City in Abu Dhabi oder New Songdo City in Südkorea, ebenso wie einzelne Stadtentwicklungsprojekte, die bestehende Strukturen nach und nach in unterschiedlichen Handlungsfeldern „smarter“ gestalten sollen. Diese Handlungsfelder werden häufg mit einer Verbindung zwischen dem „E“ für „Electronic“ und dem englischen Begriff für den jeweiligen Bereich bezeichnet.

Nicht alle Smart City-Konzepte beschränken sich allerdings auf rein elektronische Lösungs-ansätze. In ganzheitlichen Mobilitätskonzepten werden unterschiedliche Wege beschritten, den motorisierten Verkehr so weit wie möglich zu reduzieren, zum Beispiel, indem die Alternativen attraktiver gemacht werden: kostenlose Parkplätze und Ladestationen für Elektroautos, ein gut funktionierender öffentlicher Nahverkehr, gut ausgebaute Fuß- und Fahrradwege und „Stadtviertel der kurzen Wege“. Gemeinsam ist allen Smart City-Projekten die zentrale Rolle, die moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (ITKs) in ihnen einnehmen. Mit den jüngsten Entwicklungen im Bereich fächendeckender Breitband-Internetverbindungen, hochsensiblen Sensoren, Kameras, Smartphones und deren Apps und den unterschiedlichen Möglichkeiten, große Datenmengen („Big Data“, siehe S. 10 und 11) auszuwerten, eröffnen sich auch in vielen Fragen der Stadtentwicklung ganz neue Möglichkeiten. Zunächst können Prozesse genau erfasst werden: Wie ist die Auslastung der Kitas? Welche Müllcontainer sind schon voll? Wie sollte die U-Bahn getaktet werden, damit keine Wartezeiten zu anderen Verkehrsmitteln entstehen? Wieviel Energie wird gerade wo benötigt? Zweitens können – in der Idealvorstellung der Smart City – alle erfassten Informationen in einer zentralen Schaltstelle zusammenlaufen und so perfekt aufeinander abgestimmt und vernetzt werden: um Energienetze effzienter zu gestalten, die Verkehrsbelastung zu reduzieren oder Materialkreisläufe zu optimieren. Gleichzeitig sollen in ein solches Gesamtsystem auch neue, nachhaltige Technologien wie erneuerbare Energieerzeugung, Energiespeicherung oder Plusenergiehäuser integriert werden.

Zentrale Steuerbarkeit und die Möglichkeit, kostbare Ressourcen einsparen zu können, sind also zwei grundlegende Argumente, die für den Einsatz von intelligenten Technologien vorgebracht werden. Kritische Stimmen weisen jedoch darauf hin, dass auch die Herstellung von all den intelligenten Geräten sehr viele Ressourcen verbraucht – vor allem, wenn sie bei jedem Update erneuert werden müssen. Smarte Geräte verbrauchen zudem Energie, die erstmal wieder eingespart werden muss. Gleichzeitig wird in Frage gestellt, ob smarte Technik halten kann, was sie verspricht. So haben zum Beispiel Forschungen zu intelligenten Stromnetzen („Smart Grids“) ergeben, dass sich die Energie-Einsparpotenziale durch diese Technologien zurzeit noch stark im Rahmen halten. Ebenso verhält es sich mit Elektroautos: Bisher gibt es noch keinen Beleg, dass Elektromobilität an sich nachhaltig ist. Beim aktuellen Energiemix „Strom“ in Deutschland produzieren Elektroautos genauso viel CO2 wie moderne PKW mit Dieselmotoren.
Ebenso liegt auf der Hand, dass Städte, deren grundlegenden Abläufe zentral und digital gesteuert werden, besonders anfällig werden – für technische Störungen, mutmaßliche Hackerangriffe oder ganz einfach für Überwachung durch diejenigen, die über die gewonnenen Daten walten. In Forschungsvorhaben zu Smart Cities fnden diese Aspekte Erwähnung, doch es bleibt fraglich, wie sicher sie gesteuert werden können.

New Songdo City in Südkorea ist ein typisches Beispiel für die Vision einer Smart City des 21. Jahrhunderts. Bis 2020 soll die am Reißbrett geplante Stadt fertig sein und Wohnungen und Arbeitsplätze für 250.000 Menschen bieten. Technik wird hier allgegenwärtig sein (ubiquitär, weshalb man auch den Begriff U-City verwendet). Über ein städtisches Computernetzwerk sollen Ver- und Entsorgung, Transport und Energie zentral gesteuert werden können. Sensoren und Kameras zeichnen das Geschehen in der Stadt auf. Videokonferenzsysteme gehören zur Standardausstattung und Englisch ist die übliche Verkehrssprache; das soll ein internationales Businesspublikum anziehen. Über „Smart Cards“ können die Einwohner/innen jederzeit identifziert und lokalisiert werden, sie dienen als Ausweis, Schlüssel und Geldkarte zugleich.
Tipp:
- Kurzflm (6 min) zu New Songdo City in der 3sat-Mediathek (verfügbar bis zum 12.11.2015): www.3sat.de/mediathek
- Artikel mit Infografk in Wunderwelt Wissen: „Die Hightech-Stadt mit Computerhirn“ www.songdo.com